Presse – Bieler Tagblatt – Regional

Balthasar, unsere Katze wartet schon vor der Tür, wenn ich am Morgen komme. Er ist uns vor sechs Jahren zugelaufen und gehört jetzt einfach dazu. Er kommt mit mir rein, kriegt sein Futter – und dann beginnt mein Tag im Zoo Roco in Lyss.

Ich bin ein positiv denkender Mensch. Überall wo ich bin, versuche ich, das Beste zu machen. Jammern nützt nichts, da steckt man nur verlorene Energie rein. Dann steckt man seine Energie lieber in etwas, das Freude macht. Diese Einstellung hat mich weit gebracht. Weiter, als ich mir mit 22 Jahren hätte träumen lassen.

Nachdem ich während meiner Schulzeit jede freie Minute im Seeteufel verbracht und wir zuhause immer Tiere hatten, war eine Lehre im Zoofachhandel mein Berufswunsch., Als ich nach der Ausbildung in Bern in einem Geschäft arbeitete, fragte ich dann mal einen Vertreter, was es denn eigentlich koste, eine Zoohandlung zu eröffnen. Der sagte dies meiner Chefin. Sie kündigte mir auf der Stelle. Sie wollte niemanden angestellt haben, der vielleicht irgendwann mal ein eigenes Geschäft eröffnet.

Ich ging ziemlich gefrustet nach Hause. Aber meine Freunde sagten: „Also, dann fang doch jetzt an.” Und alle haben geholfen. Meine Brüder hatte zwei, dreitausend Franken auf der Seite, andere Kollegen und meine Eltern halfen mir ebenfalls mit der Gründung der Aktioengesellschaft. 1988 haben wir dann den Laden in Lyss im la Tour eröffnet. Mit knapp 22 Jahren war ich damals die jüngste Zoofachhändlerin.

Der Name Zoo Roco ist hat eine Geschichte. Wir wollten das Geschäft eigentlich Seeland Zoo nennen, aber das brauchte eine Bewilligung von einem Amt, weil der Name „Seeland” geschützt ist. Dazu hatten wir die Zeit gar nicht, weil alles so Schlag auf Schlag ging. Unser Papagei, den wir damals zu Hause hatten, hiess Roco. Somit war er der Namensgeber für mein Geschäft.

1996 zogen wir zuerst an die Bielstrasse 29 und dann im Jahr 2012 in das alte Fabriklokal an der Bielstrasse 40d, wo wir nun unser Geschäft haben. Ein enger Freund hat mir gesagt, als wir in dieses grosse Gebäude mit 850 Quadratmetern einzogen, „Du spinnst”. Aber ich habe sofort gesehen, welches Potenzial die Fläche hat. Ich sehe jeweils das Ziel, und alles auf dem Weg dahin sehe ich gar nicht. Ich mache einfach alles, damit ich zu diesem Ziel komme. Und wenn irgendwas mal nicht funktioniert, dann gibt es einen anderen Weg.

Mich begeistert die Nähe zu den Tieren und den Leuten. Im Verkauf kann man nicht introvertiert sein, das geht einfach nicht. Dadurch, dass ich so lange hier bin, kenne ich die meisten Leute. Und zwar wirklich lange! Es gibt Tierhalter, die ich als Kind bedient habe, die jetzt selbst Mami oder Papi sind und wieder mit ihren Kindern bei mir einkaufen. Das sind schöne Freundschaften, die sich entwickelt haben. Zum Teil finden sie zwar nur hier im Laden statt, aber das spielt keine Rolle.

Ein Kunde ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein älterer Herr, der kam zwei Mal in der Woche vorbei und kaufte alles für seine Fische hier ein. Und einmal kam ein Telefon seines Sohnes. Er ist gestorben, ob ich das Aquarium leeren könnte. Da habe ich erfahren, dass seine Frau schwer krank war und er sie gepflegt hat. Ich sah, dass der Kunde nicht nur Aquarianer war, sondern auch Pfleger war und unheimlich schöne Bilder gemalt hat. An diesen Herrn denke ich noch heute oft.

Wir bieten hier ein Vollsortiment für Haustiere an – Futter und Zubehör für alle Haustierarten. Bei den lebenden Tieren verkaufen wir Kleintiere wie Chüngeli, Meerschweinchen oder Rennmäuse. Und Heimvögel wie Wellensittiche oder Kanarienvögel, heute sagt man nämlich nicht mehr Ziervögel, denn ein Tier soll keine Zierde sein. Wir sind eine der wenigen Geschäfte, die noch Vögel anbieten. Ich selbst habe auch mal Vögel gezüchtet und hatte bis zu 200 Stück zuhause, in einem alten Bauernhaus in Dotzigen!
Und dann bieten wir hier im Laden auch noch alles für die Terraristik und die Aquaristik sowie Fische an.

Schlammspringer und die Axolotl sieht man nicht oft in den Geschäften, dies sind Raritäten. Und Chinchillas bei den Nagetieren gehören auch nicht zum Standartsortiment. Auch bei den Fischen biet wir immer Spezialitäten an. Dadurch, dass wir ein Einzelgeschäft sind und ich nicht auf Vorschriften von einer grossen Kette achten muss, haben wir den grossen Vorteil, dass wir sehr schnell sein können. Wenn ich etwas Spannendes sehe, kann ich es sofort einkaufen. Die grossen Ketten müssen es zuerst listen und lagern. Dadurch sind wir schnell mit Neuheiten. Dies sagen uns auch viele Kunden.
Unsere Kundschaft kommt vorwiegend aus dem Umkreis von 30 Kilometer. Aber teilweise auch von Basel oder Zürich. Wir haben sowohl im Geschäft aber auch im Onlineshop viele Stammkunden.

Dieser ist ein wichtiges Standbein. Unterdessen erwirtschaftet der Versand rund 50 Prozent des Umsatzes. Wir verschicken zwischen 30 und 50 Pakete am Tag. Gestartet haben wir den Shop 2001. Damals waren wir der erste Onlinehandel in der Zoofachbranche. Die erste Bestellung kam lustigerweise aus Rütschelen, das ist ein kleines Dorf im Oberaargau, in dem meine Mutter aufgewachsen ist. Das sah ich als gutes Omen.

Unser Motto lautet „Wir beraten Sie herzlich und tierisch gerne” und „Geht nicht, gibt’s nicht”. Kundenwünsche versuchen wir immer so weit wie möglich zu erfüllen. Die meisten Kunden schätzen die Fachberatung und kommen gerne und regelmässig zu uns. Es gibt aber auch Leute, die bei uns die Beratung holen und kaufen dann billiger im Internet oder im Ausland ein.

Mit dem Tierverkauf trägt man auch eine gewisse Verantwortung. Unsere Vorgaben zu Gehegegrössen und dem Tierwohl müssen erfüllt werden. Die Mindestmasse des Gesetzes sind zu klein für eine artgerechte Haltung. Ich habe auch schon Tiere nicht verkauft, weil ich ein schlechtes Bauchgefühl hatte. Auch bei Überraschungsgeschenken sind wir sehr streng, das geht nicht! Wenn jemand zum Beispiel seinem Göttibueb einen Hamster schenken will, fragen wir nach. Vielleicht will dieses Kind keinen Hamster? Oder die Eltern sind nicht einverstanden. Und wenn, dann soll doch das Göttikind das Tier selbst aussuchen. Es soll sich auch etwas ins Tier verlieben!

Und alles, was extrem exotisch ist, verkaufe ich bewusst nicht. Das gehört in die Hände der Spezialisten. Wir haben 1999 auch aufgehört, Meerwasserfische zu verkaufen. Damals waren dies alles Wildfänge, und oft wurden diese im Meer mit Schlafmittel abgefischt. Diese Mittel haben die Organe der Fische geschädigt. Ich habe damals gesagt, da mache ich nicht mit. Ich will gesunde Fische verkaufen.

Ich bin 58 Jahre alt, die Pensionierung kommt immer näher. Momentan schaue ich, ob ich den Laden irgendwann übergeben werde. Das ist aber noch nicht spruchreif. Am liebsten würde ich es jemandem verkaufen, mit der Auflage, dass ich bis 65 hierbleiben darf. Der Verkauf an eine Kette wäre meine letzte Option., denn dann wäre es nicht mehr Zoo Roco. Sobald es eine Kette wird, wird es 08/15. Das sind wir bis jetzt nicht und es soll auch nicht so werden. Aber als Option wäre es immer noch besser, als eine Schliessung des Geschäftes.

Es geht noch einen Moment bis zur dahin. Der Kontakt mit den Leuten denke ich, wird mir dann am meisten fehlen. Aber langweilig würde es mir sicher nicht. Reisen und fotografieren, meine Hobbys, werden dann im Vordergrund stehen. Was auch kommt – ich sehe immer Möglichkeiten und finde einen Weg.

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